Alexander W. vor Gericht in Berlin
Alexander W. vor Gericht in Berlin, Pixabay/Foto illustrativ

Ein tragischer Fall aus Berlin hat bundesweit für Aufsehen gesorgt. Ein Vater aus dem Bezirk Marzahn-Hellersdorf wurde rechtskräftig zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt, nachdem er seinen drei Monate alten Sohn so stark geschüttelt hatte, dass dieser heute schwerstbehindert und blind ist. Die Ermittlungen und das Urteil werfen ein Schlaglicht auf das seltene, aber gravierende Problem des sogenannten Schütteltraumas bei Säuglingen.

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Alexander W. und die Tatnacht in Marzahn-Hellersdorf

Der 44-jährige Alexander W. lebte im Frühjahr 2023 mit seiner Lebensgefährtin Monika H. (33), der zweijährigen Tochter Nora und dem Ende November 2022 geborenen Peter in einer Wohnung in Marzahn-Hellersdorf. Am Abend des 6. März 2023 sollte er den Säugling füttern und ins Bett bringen, während seine Partnerin einen Arzttermin wahrnahm. In dieser Nacht schüttelte der Mann sein drei Monate altes Kind aus bis heute ungeklärtem Anlass so heftig, dass es ein schweres Schütteltrauma erlitt.

Medizinische Gutachter beschrieben die Folgen als katastrophal. Der kleine Peter ist seitdem blind und schwerstbehindert. Bereits im ersten Verfahren vor dem Amtsgericht Tiergarten im Januar 2024 hatten Sachverständige prognostiziert, dass das Kind dauerhaft pflegebedürftig bleiben werde.

Urteil des Berliner Landgerichts

Das Berliner Landgericht bestätigte das Urteil: Alexander W. muss drei Jahre und drei Monate Haft verbüßen. Zusätzlich wurde er verpflichtet, 150.000 Euro Schmerzensgeld an seinen Sohn zu zahlen. Damit ist das Urteil rechtskräftig, nachdem der Angeklagte seine Berufung zurückgezogen hat.

Die Richter sahen den Tatbestand der vorsätzlichen und schweren Körperverletzung als erfüllt an. Zwar hatte der Vater die Vorwürfe umfassend eingeräumt, doch blieb der genaue Grund seines Handelns unklar. „Wahrscheinlich war ich überfordert“, sagte er gegenüber den Ermittlern. Hinweise auf eine vorherige Gefährdung des Kindes durch die Familie gab es nicht.

Eine Untersuchung des Jugendamtes ergab, dass die Familie zuvor nicht auffällig gewesen war. Auch der Kindergarten von Tochter Nora bestätigte, dass sie ein aufgewecktes und gut betreutes Kind war. Ihr Vater habe sich aktiv an der Eingewöhnung beteiligt, während die Mutter als eher streng beschrieben wurde.

Folgen für die Familie und mögliche Zivilverfahren

Das inzwischen knapp dreijährige Kind lebt heute in einem Pflegebett zu Hause. Mutter Monika H. und Schwester Nora kümmern sich gemeinsam mit professionellen Kräften um die Pflege. Die Kosten für die medizinische Behandlung und Pflege werden sich voraussichtlich auf mehrere Millionen Euro belaufen.

Die Mutter plant, diese Summen zivilrechtlich vom verurteilten Vater einzuklagen. Darüber hinaus kann eine Rente nach dem Opferentschädigungsgesetz beantragt werden. Die Familie steht vor einer lebenslangen Belastung – emotional, organisatorisch und finanziell.

Hohe Dunkelziffer bei Schütteltraumata

Laut dem Nationalen Zentrum Frühe Hilfen (Nzfh) werden in Deutschland jährlich zwischen 100 und 200 Säuglinge und Kleinkinder mit Schütteltraumata in Kliniken behandelt. Fachleute gehen jedoch von einer hohen Dunkelziffer aus, da viele Fälle unerkannt bleiben.

Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen:

  1. Nur etwa 10 bis 20 Prozent der betroffenen Kinder überleben ohne bleibende Schäden.
  2. Geistige und körperliche Beeinträchtigungen können oft auf unerkannte frühere Misshandlungen zurückgeführt werden.
  3. Überforderung und fehlende Unterstützung zählen zu den häufigsten Ursachen solcher Gewalttaten.

Fachorganisationen betonen die Bedeutung früher Hilfen und Beratungsangebote, um überforderte Eltern rechtzeitig zu entlasten. Jede Präventionsmaßnahme kann potenziell Leben retten und schwere Behinderungen verhindern.

Der Fall Alexander W. steht stellvertretend für ein Problem, das meist im Verborgenen bleibt. Er zeigt, wie aus einem Moment der Überforderung eine lebenslange Tragödie entstehen kann – für ein Kind, eine Mutter und eine ganze Familie.

Quelle: rbb24